genau 5 Wochen lang war ich täglich 2 Stunden in meiner Wohnung und in den sozialen Medien im entschleunigenden Slow-Walk unterwegs. Drei Runden durch das Wohnzimmer, Küche, Bad, Hausgang und Schlafzimmer habe ich dabei jeweils geschafft.
Am 04.05.2020 sind mit dem Beginn einer schrittweisen Öffnung der Schulen weitere Lockerungen des Lockdowns in Kraft gesetzt worden. Aus diesem Grunde habe ich am Sonntag den 03.05.2020 zum letzten Mal meine Livestream-Performance You do not walk alone in den sozialen Medien gestreamt.
Ich bin sehr froh darüber, dass uns in Deutschland eine Ausgangssperre wie in Italien oder Frankreich erspart blieb. Dadurch war die Notwendigkeit in der Wohnung zu verweilen gering. Das wunderbare Frühlingswetter und die Möglichkeit vor die Türe gehen zu können haben sicherlich dazu beigetragen, dass viele Menschen die letzten Wochen dazu genutzt haben, sich selbst auf ihre eigene Art und Weise zu entschleunigen. Ich habe zumindest noch nie so viele Flaneure und Spaziergänger gesehen wie in diesen Tagen. Auch so manchem Garten merkt man den unerwarteten Zeitgewinn seiner Besitzer an. Die Notwendigkeit in seiner Wohnung selbst zum Slow-Walk-Performer zu werden und sich dabei zu entschleunigen war also in vielen Fällen nicht zwingend gegeben, weshalb ich nun auch mit gutem Gewissen meine Performance beende.
Dass die ungewollte Entschleunigung durch die Corona-Krise auch positive Auswirkungen hat, zeigt ein Artikel in der Zeit. Zwischen den negativen Berichten der letzten Wochen machen Redakteure nun die Feststellung, dass die Werte, einer seit dem März 2017 durchgeführten online Umfrage über das Befinden der Leser, erstaunlicherweise seit Beginn der Krise insgesamt sogar besser geworden ist. https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-04/wie-geht-es-ihnen-heute-warum-besser
Ich mutmaße, dass das zum Teil mit der Leserschaft der Zeit zu tun hat, die vielleicht bisher von den Folgen der Corona-Krise nicht so stark betroffen ist. Es mag aber vielleicht auch daran liegen, dass der Alltag für viele Menschen in den letzten Wochen gezwungenermaßen komplett entschleunigt wurde und sie die gewonnene Zeit sinnstiftend verwenden konnten, indem sie dem normalen Alltagsstress nicht mehr ausgeliefert waren.
Ich kann deshalb nur hoffen, dass nach der schrittweisen Normalisierung etwas von dieser Entschleunigung in unserer Gesellschaft bleibt. Eine Rückkehr zum „alten Normal“, zu immer mehr Wachstum und Geschwindigkeit, darf es meiner Meinung nach nicht mehr geben.
Dass es trotz der anstehenden Lockerungen noch lange nicht das Ende dieser Krise ist, sollte eigentlich jedem klar sein. Wer auf Grund der anhaltenden Krise von Existenzängsten, Sorgen, Einsamkeit etc. betroffen ist, kann sich trotzdem noch an einem Slow-Walk in den eigenen vier Wänden oder im Freien versuchen. Die dabei praktizierte Entschleunigung hat eine positive Wirkung auf Geist und Gemüt. Das verspreche ich Euch!